Hans Steinbrenner und Guy de LussignyHans Steinbrenner








Abenteuerliche Würfel

Bronzeskulpturen von Hans Steinbrenner in der Galerie Spielvogel


Anekdoten und Erzählungen in Stein, Bronze oder Holz haben Hans Steinbrenner nie interessiert. Auch wenn am Anfang seines bildhauerischen Schaffens "Pferde und Reiter" standen, "Wagenlenker" und "Christusfiguren", all die Motive, die in den fünfziger und sechziger Jahren noch zum Kanon der Plastik gehörten. Doch schon damals strebte Steinbrenner nach radikaler Strenge und Vereinfachung. So war es für den Schüler Hans Mettels am Städel und Toni Stadlers an der Münchner Kunstakademie nur folgerichtig, dass er seit 1960 zu abstrakten Formulierungen fand.
Während die großen Arbeiten in Holz oder Stein geschaffen wurden, entstanden die Bronzeabgüsse auf dem Weg von der Zeichnung zur Großplastik. Diese relativ kleinen, 10 bis 50 Zentimeter hohen Arbeiten, die jetzt in der Galerie von Gudrun Spielvogel zu sehen sind, wirken trotz ihrer Dimensionen keineswegs gefällig. Im Unterschied zu vielen anderen plastischen Arbeiten aus dieser Zeit, die bei heute Zwanzigjährigen nur noch Unverständnis hervorrufen, haben die Skulpturen Steinbrenners, der im vergangenen Jahr zum Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste gewählt wurde, keine Alterspatina angesetzt. Sie verbreiten eine Aura von Kraft und Monumentalität, die nicht zuletzt aus den einfachen stereometrischen Formen erwächst, aus denen sie aufgebaut sind: dem Quader, dem Würfel und dem Zylinder. "Elementarismus" ist dieses Kompositionsprinzip genannt worden - die additive Verschränkung, Durchdringung und Separierung von Einzelelementen zu einem geschlossenen Skulpturenkörper. "Die Ausgangs- oder Grundform des Blockes ist eine statische Form, die durch das Eindringen des Raumes rhythmisiert wird", hat Hans Steinbrenner in seinen Gedanken und Reflexionen geschrieben. Die Grenzflächen der gegeneinander gesetzten Elementarkörper erzeugen eine reliefartige Außenhaut, die von vibrierenden funktionalen Linien durchzogen wird. Zwischen ihnen spannt sich eine lebendige, schwarze oder glänzende, schrundengefurchte Bronzehaut, die nie den Eindruck von technoiden Gebilden aufkommen lässt.
Dichte, Konzentration und Solidarität, die Charakteristika einer architektonischen Skulptur, beschreiben die Bronzekompositionen von Hans Steinbrenner. Der Würfel oder Hexaeder, der in der Antike als Symbol und Baustein der Erde galt, repräsentiert für den Bildhauer einen Ausschnitt aus dem großen universellen Geschehen des Raumes. Scheinbar unveränderlich und statuarisch steht er dem Menschen gegenüber und lädt zugleich ein zu einem Dialog über die Möglichkeiten, andere Form anzunehmen - bis hin zu der eines menschlichen Körpers.

Andreas Kühne
Süddeutsche Zeitung, 25. Februar 2000

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